Neue Lösungen für bezahlbares Wohnen

Ein Update von den echten Markt-Insidern

Typenbau vs. Modulbau und Typ “E” – Wer gewinnt?

Wie können wir in Deutschland wieder schneller und kostengünstiger Wohnraum schaffen? Diese Frage diskutierten führende Experten der Wohnungswirtschaft beim Builtworld DACH Update, und obwohl es um Großprojekte statt kleiner Mehrfamilienhaus-Projekte geht sind die Insights spannend. Mit dabei: Eva Weiß (Vonovia), Ulrich Schiller (HOWOGE) und George Salden (Capital Bay). Wie immer exzellente Moderation von Wolfgang Moderegger (Builtworld).

Manche Aspekte lassen sich zwar nicht direkt auf Ihr kleineres Mehrfamilienhaus übertragen. Trends, Rahmenparameter und Schlussfolgerungen sind aber vielfach die gleichen, und die fortlaufende Beschäftigung mit dem Thema ist gerade auch für Privatinvestoren wichtig. Den besten Kontext liefert übrigens die Einführung von Prof. Walberg, wie berichtet. Und wenn Sie nur eins mitnehmen, dann ist es die wertvolle Einordnung von Begriffen wie “Typ E”, Typenbau und Modulbau und deren mögliche Relevanz auch für Sie.

Ein Blick in die Aufzeichnung lohnt sich:

Die wichtigsten Erkenntnisse im Überblick

Marktlage und Herausforderungen

  • Vonovia plant 3.000-4.000 neue Wohneinheiten für 2025 (📺 0:02:30)

  • HOWOGE aktuell mit 4.500 Wohnungen im Bau, weitere 7.000 in Planung (📺 0:04:08)

  • Capital Bay entwickelt derzeit 4.000 Wohnungen, plant Ausbau auf 10.000 (📺 00:06:18)

Zwei Wege zum günstigeren Bauen: Typ E vs. Modulbau

Typ E: Der schnelle Weg

Eva Weiß (BUWOG/Vonovia) erklärt den pragmatischen Ansatz (📺 00:28:55):

  • Verzicht auf überzogene Komfortnormen

  • Realistische Schallschutzanforderungen

  • Einzelvergabe möglich

  • Schneller umsetzbar ("gut für Quartalsdenker")

  • Ziel: Auch "leistbare Eigentumswohnungen" anbieten

Ulrich Schiller (HOWOGE) betont: "Wir müssen einfacher denken" (📺 00:25:50):

  • Überregulierung führt zu Problemen: Beispiel komplexe Eingangstürsensoren

  • Lüftungsanlagen werden von Mietern teils zugeklebt

  • Keep it simple statt Übertechnologisierung

Modulares Bauen: Der systematische Ansatz

  • Erfordert längeren Vorlauf

  • Muss bereits in Leistungsphase 0 mit Modulbau-Partner geplant werden

  • Grundrisse müssen Modulbau ermöglichen

  • Herausforderung: Architekten verweigern sich teilweise dem Modulbau

Der Weg zur echten Industrialisierung

George Salden (Capital Bay) nach Analyse von 18 Modulbauern weltweit (📺 00:33:25):

Aktuelle Herausforderungen

  • "Mieter sucht Schloss zu Hundehüttenpreis – Bauträger verkauft Hundehütte zu Schlosspreisen"

  • Microliving ist gesetzlich nicht ausreichend gesichert

  • Selbst größte deutsche Projekte zu klein für echte Industrialisierung

  • Industrielle Serienproduktion beginnt erst ab 100.000+ Einheiten

  • Neue Robotertechnik ("Citronik") erfordert 25 Mio. EUR Mindestinvestition

Lösungsansätze

  • Standardisierung durch Typenfreigaben

  • Microwohnung als skalierbare Lösung (Studenten-, Bediensteten-, Pflegewohnen)

  • Partnerschaft mit Daiwa House Modular (Gigafabrik Fürstenwalde)

Aktuelle Leuchtturmprojekte

Capital Bay & Daiwa House Modular

  • Capital Bay entwickelt 1.055 Wohnungen für OVG/GEWOBAG in Berlin

  • Daiwa betreibt Gigafabrik in Fürstenwalde für modulare Fertigung

  • Gilt als "größtes modulares Wohnbauprojekt Deutschlands" (4.000 Module)

HOWOGE Development in Berlin

Großprojekt aus Q4/2023:

  • Ca. 1.500 Wohnungen

  • Über 20.000m² Gewerbefläche

  • Investment >500 Mio. EUR

  • 22-geschossiges Hochhaus im letzten Bauabschnitt

  • Kalkulierte Baukosten: 4.500-5.000 EUR/m²

Vonovia/Gropius in Dresden

Das Kernproblem auf den Punkt gebracht

"Mieter sucht Schloss zu Hundehüttenpreis – Bauträger verkauft Hundehütte zu Schlosspreisen"

George Salden, Capital Bay

Die Experten sind sich einig: Die Überlagerung von Auflagen, Normen und politischen Unsicherheiten macht bezahlbares Bauen fast unmöglich. Die Lösung liegt in der Vereinfachung:

"Wir müssen uns von einigen der Komfortnormen verabschieden [...] Das hat auch ein bisschen was mit Toleranz zu tun. Wenn ich in einer Stadt wie Berlin lebe, dann kann ich nicht nichts hören."

Eva Weiß, BUWOG/Vonovia

Die Praxis zeigt die Probleme der Überregulierung:

"In Wohnungen werden die Lüftungsanlagen mit Plastiktüten überklebt, weil die Leute Angst haben, dass die Wärme weggesaugt wird. Die Filter werden nicht gewechselt. Für uns ist das ein Riesen-Serviceaufwand, kostet am Ende wieder viel Geld."

Ulrich Schiller, HOWOGE

Fazit

Die Diskussion zeigt: Lösungen für bezahlbares Wohnen sind vorhanden. Der Schlüssel liegt in der Kombination aus Deregulierung, Standardisierung und verlässlichen Rahmenbedingungen. Erste Praxisbeispiele machen Mut - jetzt muss die Politik nachziehen.

Was bedeutet das für Sie als Privatinvestorin?

Auch wenn die diskutierten Großprojekte eine andere Dimension haben, gibt es wichtige Erkenntnisse für private MFH-Entwickler:

  1. Typ E jetzt nutzen: Während modulares Bauen Skaleneffekte braucht, können Kosteneinsparungen durch vereinfachte Standards sofort genutzt werden.

  2. Planungsphase ist entscheidend: Frühzeitig alle Optionen prüfen - von Typ E bis hin zu vorgefertigten Elementen. "In Phase 0 überlegen, wer der Partner sein könnte", wie Ulrich Schiller betont.

  3. Keep it simple: Nicht jede technische Innovation muss sein. Oft führen einfachere Lösungen zu besseren Ergebnissen - sowohl bei den Baukosten als auch im späteren Betrieb.